Der Trafikant, Literaturkritik
Samira Kuklinski
24/01/2020
"Der Trafikant" von Robert Seethaler, 2012

Robert Seethaler fesselt die Leser seines Romans durch eine besondere Leichtigkeit und Ehrlichkeit in seiner Erzählung, die dem aufsteigenden NS-Regime Kontrast artig gegenübersteht.
Der siebzehnjährige Franz Huchel ist die Hauptfigur in Robert Seethalers Roman “Der Trafikant” aus dem Jahr 2012. Thematisiert wird sein Erwachsenwerden vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus im Wien der später dreißiger Jahre, geleitet von Liebe und einer unüblichen Freundschaft zu Sigmund Freud.
Eines Spätsommers kommt der reiche Unternehmer Alois Preininger in Nußdorf am Attersee durch einen Blitzschlag ums Leben. Er hat seiner alleinerziehenden Geliebten Frau Huchel und deren Sohn Franz bisher ein sorgenfreies Leben ermöglicht. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wird Franz jetzt Lehrling in einer Trafik in Wien. Sie gehört dem kriegsinvaliden Otto Trsnjek, einer alten Bekanntschaft seiner Mutter.
Der Roman zeigt, wie neue Erfahrungen Franz’ Horizont erweitern und ihn bereichern, gleichzeitig aber verwirren und sein Leben ungeahnt kompliziert machen.
Auf Freuds Rat hin begibt sich Franz auf die Suche nach einem Mädchen. Im Wiener Prater verliebt er sich in Anezka, eine junge Frau aus Böhmen. Einige Monate lang leidet Franz unter seiner unglücklichen Liebe zu der Unbekannten. Die quälenden körperlichen Symptome des Verliebtseins verwirren ihn ebenso wie die politischen Entwicklungen in Deutschland und Österreich. Nach der Verhaftung Trsnjeks übernimmt Franz die Verantwortung für die Trafik, doch nachdem Freud ins Exil nach London flüchtet und Anezka seine Liebe nicht erwidert wird auch Franz von de Gestapo in Gewahrsam genommen.
Der Trafikant ist durch den häufigen Gebrauch der direkten Rede und die scharfsinnigen Dialoge gekennzeichnet. Zudem wird Franz Huchel vom Erzähler aus einer Innensicht heraus geschildert, Letzterer kennt somit auch die geheimen Gedanken und Gefühle des Protagonisten. Franz und sein Vorurteilsfreier Standpunkt ermöglichen dadurch einen objektiven Einblick in die Geschehnisse der Zeit sowie die historischen Figur Sigmund Freud.
“Der Trafikant” ist ein Entwicklungsroman eines Jugendlichen in Kriesenreichen Zeiten, in Form einer Coming-of-age Geschichte. Deshalb eignet er sich besonders in schwierigen Zeiten, wie der aktuellen Pandemie, als Schullektüre. Durch die offene Beschreibung von Franz’ Problemen und Ansätze der Bewältigung dieser, können sich die Leser einfach mit dem Protagonisten identifizieren und gegebenenfalls einige der im Roman gegebenen Krisenbewältigungsstrategien selbst anwenden. Des Weiteren lernen Schüler den kritischen Umgang mit Medien und die reflektierende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problematiken.